Am heutigen Montag, den 16. Juli 2018, fand der zweite Verhandlungstag im Schauprozess gegen Isa statt. Isa sitzt seit dreieinhalb Monaten in U-Haft. Er hat bereits einen Deal ausgeschlagen, der die U-Haft beendet hätte. Für ein Geständnis hätte er eine Bewährungsstrafe und Haftverschonung erhalten. Weiterhin bleibt er standhaft und mit Voranschreiten des Prozesses wird klar, dass seine Entscheidung, sich nicht erpressen zu lassen, für ihn richtig war. Die offensive Prozessstrategie ist aber auch politisch gesehen die einzig richtige. Die Repression läuft ins Leere.
Umstände des 2. Prozesstages
Der heutige Verhandlungstag fand im Hochsicherheitssaal 500 statt. Unter den selben Sicherheitsvorkehrungen wie am 1. Prozesstag war es nur nach penibler Durchsuchung möglich, als Zuschauer*in teilzunehmen. Im Wartebereich im Treppenhaus des Gerichtsgebäudes gab es nichtmal ein Klo. Da mit einer Wartezeit von bis zu einer halben Stunde bei der Zugangskontrolle gerechnet werden musste, wurde das oberste Stockwerk des Treppenhauses kurzerhand zur Toilette erklärt, worunter auch das Parkett im Saal 700 gelitten haben dürfte.
Anträge und Zeugenvernehmungen
Den Auftakt im Prozess machten die Anwälte von Isa mit einem Antrag zur Beiziehung eines Sachverständigen über psychologische Fallen bei der Wiedererkennung von Personen, welche in diesem Prozess wesentliches Element der Anschuldigungen sind. Der Sachverständige soll klären, wieso z.B. Zeugen, die sich über Sachverhalte absprechen, gegenüber anderen Zeugen als weniger verlässlich gelten. Alle Zeugen, die tendenziell gegen Isa aussagen, haben sich inhaltlich ausgetauscht oder gar abgesprochen.
Tauchte Zeuge aus Solidarität unter?
Trotz Ordnungsgeld und Vorführungsbefehl durch die Bullen, blieb der „Geschädigte“ des anderen Vorfalls vor der R94 erneut fern. Er ist verschwunden. Am letzten Prozesstag wurde er von den Schnitzmeiers zum Opfer eines Faustschlags erklärt, von ihm selbst liegt nur eine Vernehmung bei der Polizei vor, wo er von einem Schubser spricht. Versteckt er sich weil er kein Denunziant sein möchte?
Danach ließ Isa von den Anwälten ein Statement vorlesen, in dem er erklärte, dass er hinter seiner Intervention gegen S., dem als Geschädigten im Bäckereivorfall geführten, steht. Er habe eingegriffen, nachdem S. seinen Hund mit einer vollen Bierflasche auf den Kopf geschlagen hatte und danach seine Frau schlagen wollte. Isa erklärte, dass er aus seiner Personenschützerausbildung weiss, wie man in einer Abwehrsituation jemanden mit leichter Gewalt zu Boden bringt und fixiert. Nachdem der angreifende S. von einer zweiten Person entwaffnet worden war, lies Isa ihn los und ging nach Hause. Nichtmal die volle Bierflasche des Angreifers ist dabei zu Bruch gegangen. Der Hund jedoch hätte zwei Tage lang Nasenbluten gehabt.
Als erster Zeuge wurde dann S. alleine in den Saal geholt, wo er vor seinem Anwalt und neben einem Dolmetscher Platz nahm. In seiner Aussage gab er zu, den Hund mit einer vollen Bierflasche geschlagen zu haben und dass er sich dafür schäme. Gegenüber Isa gab er sich jedoch weiter feindlich, indem er u.a. äußerte, dass Männer mit Glatzen für ihn Neonazis seien. Ab dem Zeitpunkt nachdem er den Hund geschlagen hatte, gab S. an, sich nicht zu erinnern. Ob dies als Selbstschutz-Aussagestrategie zu werten ist, um sich nicht selbst zu belasten, oder sein Alkoholpegel daran schuld war, bleibt spekulativ. Die Verletzungen am Sprunggelenk konnte er nicht erklären. Die Verletzung an der Schulter begründet er zumindest teilweise mit einer älteren Verletzung aus einer körperlichen Auseinandersetzung, nach der ihm dort Metallteile eingesetzt werden mussten. Insgesamt war seine Aussage schwer nachzuvollziehen, woran der Dolmetscher keinen unerheblichen Beitrag leistete. Dieser leistete sich einige Faux-Pas durch Falschübersetzung. So bezeichnete S. eine Frau, die auch beim Vorfall zugegen war, als „Clochard“, was soviel heißt wie Penner. Der Dometscher übersetzte dies bewusst als „sie sei keine Kundin“ der Bäckerei.
Einiges andere wurde verhaspelt,erweitert oder umformuliert so wurde dann zum Beispiel „ich hielt die Flasche wie eine Waffe, ein Werkzeug“ soeben „ich hielt die Flasche wie ein Werkzeug“.
Anschließend wurde eine Passantin interviewt, die zufällig einen Teil der Auseinandersetzung mitbekommen hatte. Sie konnte beobachten, wie Isa und S. zu Boden gingen und das Isa S. fixierte. Sie erkannte an, dass Isa einen Grund gehabt haben wird und sagte aus, dass er von S. abließ ohne ihn sichtbar verletzt zu haben, als sie ihn dazu aufforderte.
Nach diesem unaufgeregten Teil des Prozesses ging die Show wieder los, die schon beim 1. Prozesstag veranstaltet wurde. Ein riesiges Personenschutzkommando eskortierte zunächst die Denunziantin Dana Ott und dann den Denunzianten Jose Benitez-Lopez zu ihrem großen Auftritt.
Ott lebt in der Liebig 12, im 2. OG, und meint von ihrem Balkon gesehen zu haben, wie Isa S. fast umgebracht hätte. Auch sie kommt erst ab dem Zeitpunkt des Gerangels ins Spiel. Sie hätte nicht erkennen können, was Isa wirklich gemacht hat, zumindest aber spricht sie davon, dass S. von ihm „bearbeitet“ wurde. Ob mit Schlägen oder nicht, weiß sie nicht und ist ihr auch egal. Für sie steht fest, dass Isa ein krimineller Schläger ist. Erkenntnisse dazu will sie aus Hörensagen haben. Eigene Beobachtungen, die sie zum Schluss bringen, dass Isa menschenverachtend sei, zeugen von ihrer Weltanschauung. Sie findet, Isas Verhalten passe einfach nicht in den friedlichen Kiez, in den sie vor drei Jahren zugezogen sei. Beispielsweise hätte Isa einmal in der Nähe von Kindern mit dem Hund Stöckchenwerfen gespielt.
Benitez-Lopez ist Lebensgefährte der Ott und kam an den Ort des Geschehens, als schon alles vorbei war. Seine Aussage diente der Richterin lediglich dazu, den zwei Schöffen die Vorurteile einzuimpfen, die sie aus der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsakte selbst verinnerlicht hat. Er bestätigte, dass er die „Sippe des Polen“ hasst und dass er Isa für einen Schwerverbrecher hält und ihn auch öffentlich so bezeichnet. Als Beleg für seine Äußerung nennt er einen Vorfall, den die anderen Zeugen Marc und Barbara Schnitzmeier aus dem selben Eckhaus ihm erzählt hätten. Außerdem hätte ein Begleiter Isas einmal ein Motorrad beschädigt. Letztendlich kommt Benitez-Lopez kein Wert als Zeuge zu. Lediglich der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr für Isa wird durch ihn weiter gestützt. Benitez-Lopez spricht davon, dass er sich permanent observiert fühlt und des öfteren Klingelstreiche bei ihm stattfinden.
Sowohl Ott als auch Benitez-Lopez sagten aus, dass sie nach dem Vorfall gemeinsam mit einer weiteren Zeugin und S. im Krankenwagen bis zum Forcki (Forckenbeckplatz) fuhren, wo sie dann auf eine Zivilstreife trafen, die sie sicherlich freundlich begrüßte, mit ihnen zum Krankenhaus fuhr und dort die erste gemeinsame Vernehmung durchführte. Diese Zivilbeamt*innen tauchen in den Akten jedoch nicht auf, eventuell waren sie wegen einer anderen Sache in der Gegend oder aus einem geheimen Grund soll ihre Existenz verschwiegen werden.
Als letztes wurde der Angestellte beim Bäcker vernommen. Während die Richterin bei den Belastungszeugen maximal fünf Minuten befragte, um dann das Wort abzugeben, nahm sie sich ca. eine halbe Stunde um diesen Zeugen in Widersprüche zu treiben. Das misslang ihr genauso wie der Staatsanwaltschaft. Der Mann hat gesehen, wie S. dem Hund die Flasche über den Kopf zog, wie er dann Isas Frau bedrohte und wie dann das Gerangel am Boden ohne Blutvergießen endete.
Richterin verweigert Freilassung
Die Richterin hatte sicherlich die Aktenbeilage der Polizei im Kopf, als sie den Bäckerei-Angestellten befragte. Während der dreiwöchigen Belagerung der Rigaer94 wurde der Polizei ein Hausverbot für die Bäckerei2000 ausgesprochen. Daraufhin gab es ein polarisiertes öffentliches Echo und ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung von der Polizei gegen den Bäcker. Dieses wurde aus eindeutigen Gründen der Akte Isas beigefügt. Der Bäckerei-Angestellte soll als Pro-94 dargestellt werden. Die Richterin hat das geschluckt. Wenn die Schöffen diesen Text lesen, können sie gerne mal über die unterschiedliche Verhörintensitäten der Richterin und die generelle „Ermittlungsarbeit“ nachdenken.
Zum Abschluss des Prozesstages stellten die Anwälte den Antrag, dass Isa sofort freizulassen sei, da die Verdunklungsgefahr nicht mehr gegeben ist, da alle Zeug*innen mit möglicher Kenntnis des Vorfalls ausgesagt haben. Außerdem hätten die Zeugenvernehmungen ergeben, dass es keine lebensbedrohliche Tat gegeben hat und eine Haftstrafe über zwei Jahre nicht denkbar ist. Die Staatsanwältin beantragte die Abweisung des Antrags. Nach 15 Minuten Beratung folgten die Richterin und die Schöffen, der Antrag wurde abgewiesen und Isa musste zurück in die JVA Moabit. Es gab lautstarke Unmutsäußerungen aus dem Publikum.
Fazite
Das Fazit der Zeugenvernehmungen ist, was den Bäckerei-Vorfall angeht, positiv. Es hat sich absolut bewahrheitet, dass das polizeiliche Konstrukt des „Brutalen Angriffs“ in sich zusammengefallen ist. Nicht einmal die Denunzianten-Zeug*innen behaupten noch, dass Isa S. unvermittelt angegriffen hat. Die restlichen Zeug*innen bestätigen das, was solidarische Strukturen immer gesagt haben: Isa hat vorbildlich und verantwortlich gehandelt. Konflikte im Kiez müssen und können nicht mit Polizei gelöst werden. Die eigentliche Gewalt kam ins Spiel, als die Denunzianten-Zeug*innen die Staatsgewalt gerufen haben. Aufgrund ihrer Handlungen sitzt unser Isa seit bald vier Monaten im Moabiter Loch. Aufgrund ihrer Handlungen stehen wieder rund um die Uhr Schlägerbullen am Dorfplatz.
Das Fazit des Verhandlungstages kann aber nur düster sein: Isa wurde nicht freigelassen, obwohl das Konstrukt „Brutaler Angriff“ zusammengebrochen ist. Die Richterin hat zwar schon bei den Sicherheitsauflagen übertrieben. Isa aber noch einmal zurück in den Knast zu schicken bestätigt ihr Image, das ihr Vorauseilt: die lächelnde Guillotine. Sollte sie am dritten und vorerst letzten Prozesstag am kommenden Montag die polizeiliche Linie weiterführen, wird erneut bewiesen sein, dass die Berliner Justiz nichts weiter als willige Abnicker*innen der Vorlagen aus dem Innensenat sind. Es bleiben dann die bewährten Mittel der direkten Aktion und Solidarität – im Knast, vorm Knast und überall.
Die Stimmung bei Isa ist (trotz Wut über die weitere Inhaftierung) übrigens gut, was unter anderem daran liegen dürfte, dass es so viel Unterstützung von außen gibt. Am Wochenende gab es Kundgebungen vor seinem Zellenfenster und auch vor der JVA Tegel. Der Prozess wurde auch wieder mit Kundgebung mit Lautsprechern begleitet, die bis in den Gerichtssaal zu hören waren. Auch die Liste an Soliaktionen wird länger und länger und Zellenrazzien können nichts daran ändern. Isas Mitgefangenen zeigen sich ebenfalls solidarisch.