In den letzten Monaten ist einiges über die Bemühungen verschiedener Polizeibehörden bekannt geworden, möglichst umfangreich DNA von Tatverdächtigen und anderen Personen zu erlangen. Hier ist eine kurze Zusammenfassung der technischen Einzelheiten zu diesem Thema.
Es gibt DNA-Personen-Profile und DNA-Spuren-Profile: DNA-Profile aus »Spuren« werden aus Zellmaterial gewonnen, das an Tatorten oder Asservaten gefunden wurde oder auch von »ZeugInnen« genommen wurde (z.B. Hautabschürfungen nach einem Kampf). Personenprofile dienen zum Vergleich mit Spurenprofilen oder auch zum Abgleich mit anderen Personenprofilen bei der Klärung der Abstammung. Spurenprofile dienen dem Abgleich mit Personen-Profilen oder auch mit anderen Spurenprofilen zum Aufstellen von »Spur-Spur-Serien«.
Es gibt verschiedene Zugriffsmöglichkeiten, wie die Polizei an Körperzellen für die Analyse persönlicher DNA-Profile kommen kann oder könnte: Durch eine Speichelprobe oder durch eine Blutprobe, durch Materialien aus verdeckter Observation (etwa aufgesammelte Kippen) und deren Analyse, durch das Konfiszieren von Körpermaterialien oder Gewebeanalysen aus Biobanken.
Die Einführung von DNA-Analyse-Methoden in den 1980er Jahren hat die Polizeiarbeit und sogar das Rechtssystem grundsätzlich verändert. Wichtig dafür sind folgende Besonderheiten: Alle Menschen hinterlassen ständig und überall DNA-Spuren in forensisch nutzbaren Mengen. Die Spuren sind langlebig. Und: Sie enthalten potenziell umfangreiche Informationen über den oder die VerursacherIn. Alle Körperzellen enthalten DNA (DNA – desoxyribonucleic acid – oder auf Deutsch: Desoxyribonukleinsäure, deswegen manchmal auch DNS abgekürzt). Aus Polizeisicht besonders spannend sind Zigarettenkippen, Taschentücher, Gläser, aber auch angefasste Gegenstände oder Papier. Auch im Urin und Stuhl, in Sperma und Vaginalsekret sowie selbstverständlich im Blut findet sich nutzbare DNA. Bei Haaren ist es etwas komplizierter: Einfach so ausgefallene Haare enthalten meist keine Zellkern-DNA. Nur ausgerissene Haare mit Haarwurzel erlauben die normale DNA-Profil-Analyse.
Die Erstellung des DNA-Profils
Dass nur winzigste Spuren zur Erstellung von DNA-Profilen reichen, liegt wesentlich an einer Technik mit Namen PCR (Polymerasekettenreaktion), die Anfang der 1980er Jahre erfunden wurde. Die PCR ermöglicht es, mit spezifischen Muster-DNAs (so genannten Primern) aus dem langen DNA-Doppel-Strang an bestimmten Stellen kleine Teilstücke herauszuschneiden und zu vervielfachen, um sie zu analysieren.
Innerhalb dieser als »nicht-kodierend« bezeichneten DNA gibt es Zonen, in denen eine Abfolge von Basenkombinationen einige oder viele Male wiederholt wird – im Jargon heißt dies Short Tandem Repeat oder STR. Im deutschen Rechtsargon wird ein bestimmtes STR auch »Merkmalsystem« genannt. Einige der STR sind zwischen verschiedenen Menschen ziemlich variabel. Es finden sich also ganz verschiedene Wiederholungszahlen in einer Bevölkerung, was es ermöglicht, Menschen nach diesen STR-Varianten zu unterscheiden.
Wissenschaft und Industrie haben den STR Namen wie FGA, TH01 oder D3S1358 gegeben. Ein DNA-Profil besteht aus zwei Zahlen hinter dem spezifischen STR (also z.B.: FGA: 20, 23; TH01: 6,9), die die Häufigkeit der Wiederholung (auf beiden Seiten des DNA-Doppelstrangs) angeben. Das BKA lässt zurzeit mindestens 13 solcher STR bestimmen, meist sind es wegen derzeitig verfügbarer Testkits sogar 16 (bis vor kurzem waren es noch 8, so dass viele schon gespeicherte DNA-Profile aus weniger Angaben bestehen). Andere Länder – der Quasi-Standard CODIS wird von den USA gesetzt – bevorzugen mehr oder weniger, oder auch andere STR. Das hängt auch davon ab, welche Biotech-Firmen national das Rennen gemacht haben.
Anwendungsbereiche der DNA-Profile
Wahrscheinlichkeitsaussagen zur Identitätsfeststellung: Die wichtigste Anwendung der DNA-Profile ist die Identitätsfeststellung: Stimmen die 26 Zahlen (je 2 für 13 STR) überein, handelt es sich bei den verglichenen Profilen höchstwahrscheinlich um DNA derselben Person oder auch ihres eineiigen Zwillings. Oder aber es ist Zufall: Letzteres schließen die Behörden gerne kategorisch aus und erwähnen zum Beweis die Berechnungen der »Biostatistik«.
Die Argumentation ist, dass es z.B. bei fünf möglichen gleichhäufig vorkommenden Wiederholungswerten für jeden STR bei 13 analysierten STR über 1.000 Billiarden mögliche Kombinationen gibt. In der Realität sind die Verhältnisse aber weitaus komplizierter, weil bestimmte Wiederholungsmuster eines STR und auch bestimmte Kombinationen zwischen verschiedenen STR häufiger vorkommen als andere. Zu hinterfragen sind insbesondere die Vergleichsbevölkerungen, aus denen die Häufigkeiten bestimmter Wiederholungsmuster der STR ermittelt werden und die als Grundlage der biostatistischen Berechnungen gelten. Insofern sind die Wahrscheinlichkeitsberechnungen, die die Behörden behaupten, mit größter Vorsicht zu genießen – und unter Umständen von einem unabhängigen Gutachten zu hinterfragen. Zudem geht es in vielen Verfahren nicht um vollständige DNA-Profile, sondern nur um so genannte partielle oder Teilprofile, d.h. nicht alle STR konnten aus der Spur ermittelt werden. Dann sind die statistischen Wahrscheinlichkeitsaussagen oftmals wesentlich weniger beeindruckend.
Andere Möglichkeiten, an die DNA einer Person zu kommen
Konfiszierte polizeiliche Proben
Eine weitere Möglichkeit der Polizei, an Euer DNA-Profil zu kommen, ist, dass die Polizei schon vorhandene polizeiliche Körperzellen-Proben analysiert. Bekannt wurde etwa jüngst das Konfiszieren einer Alkoholblutprobe aus einer Verkehrskontrolle und deren molekulargenetische Untersuchung. Das dürfen sie, wenn sie dafür eine richterliche Anordnung nach §81a und §81e/f bekommen haben. Wenn das Profil gespeichert werden soll, muss ein Gerichtsbeschluss nach §81g vorliegen.
Verdeckte Ermittlungen
Auch bei verdeckten Ermittlungen sammelt die Polizei DNA-Proben: In dem Verfahren zum Aachen Bankraub wurde aktenkundig und vielfach schon beobachtet: Die ErmittlerInnen sammeln Kippen, Aufkleber, Gläser oder weggeworfenes Papier ein, um bei verdeckten Observationen DNA-Personenprofile zu erstellen. Ob sie das dürfen, ist rechtlich umstritten: Ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs etwa wies 2008 den Antrag der Staatsanwaltschaft auf verdeckte Ermittlungen zur DNA-Gewinnung zurück und argumentierte, der Paragraph §81a erlaube nur die »offene« Entnahme. 2007 entschied der Bundesgerichtshof demgegenüber, dies sei rechtmäßig.
Es ist erfolgversprechend, Rechtsmittel dagegen einzulegen, wenn solche DNA-Profile aus verdeckten Ermittlungen in Ermittlungs- oder Strafverfahren verwendet werden. Dennoch: In bestimmten Zeiten, Situationen, bei bestimmten Aktivitäten oder bei bestimmten Demonstrationen etc. ist es besser, keine Kippen oder Papier wegzuwerfen.
OpSec zur informationellen Selbstbestimmung
OpSec ist Militär- und Geheimdienstjargon für »Operational Security« und bezeichnet Techniken, die verhindern sollen, dass deren Leute während oder nach einer »Operation« erwischt werden. Dass wir bei Fragen wie der Wahrnehmung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit oder bei kleinen Akten zivilen Ungehorsams überhaupt über so etwas reden müssen, ist ein klares Indiz dafür, wie weit sich der staatliche Sicherheits- und Sammelwahn schon entwickelt hat. Kraft, die auf ein Zurückdrängen des Sicherheitsapparats verwendet wird, ist in aller Regel besser investiert als ein Wettrüsten mit staatlichen Stellen auf dem Gebiet der Technik.
Dennoch ist natürlich nichts verkehrt an Versuchen, den Sicherheitsbehörden nicht unnötig viel Material in die Hände zu geben und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in die Tat umzusetzen. Um das Legen beiläufiger Spuren zu verhindern oder zumindest deutlich einzuschränken, ist es nötig, neue Handschuhe, Mundschutz, Haarnetz oder noch besser geschlossene Kopfbedeckung (z.B. Badekappe) und gewaschene Klamotten mit langen Ärmeln und Hosenbeinen zu tragen.
Allerdings hinterlassen normalerweise auch alle anderen Menschen Spuren, so dass an halbwegs öffentlichen Orten die Polizei ein einfaches Zusammenfegen von Mischdreck nicht weiterbringen wird – und auch häufig angefasste Dinge führen manchmal zu Mischspuren, die nicht ausgewertet werden können. Sich darauf zu verlassen, ist allerdings gefährlich: In manchen Ermittlungsverfahren werden aufwendige Analysen betrieben, und wenn Eure DNA auch unter vielen anderen gefunden wird, ist sie nun einmal da. Eine zentrale Herausforderung für die DNA-Forensik ist, Spuren zu finden, die mit der verfolgten Übertretung in Zusammenhang stehen. Der Polizei in die Hände spielt, dass Kleiderfasern, auf die die Spurensicherungen dieses Planeten seit Jahrzehnten programmiert sind, fast regelmäßig verwertbare DNA der TrägerIn der Kleider zeigen. Auch Orte an denen gepinkelt wurde, können für die ErmittlerInnen von Interesse sein. Von legendärer Popularität sind auch Zigarettenkippen oder Speichelreste an Briefmarken und Briefumschlägen. Die ähnlich legendären Haare sind allerdings weniger geeignet, wenn sie keine Wurzel mehr enthalten. Nicht hilfreich zur Verwirrung der Polizei, sind übrigens nicht- menschliche Zellen – die zur Analyse verwandten Primer, um einzelne DNA-Sequenzen zu isolieren, sind sehr artspezifisch. Es ist aber umgekehrt so, dass Haare eines bestimmten Hundes identifiziert werden können und der Polizei Hinweise geben können.
In vielen Filmen gesehen, ist das Wegwischen von (»normalen«) Fingerabdrücken. Für die DNA ist das aber ungleich schwieriger. DNA-Spuren lassen sich durch Wischen und Desinfizieren allerhöchstens auf sehr glatten Oberflächen entfernen, und auch nur dann, wenn es keine Ritzen o.ä. gibt. Werkzeug hingegen, Papier, Textilien oder sonstige Gegenstände mit rauhen Oberflächen sind auf diese Weise praktisch nicht zu reinigen, weder von menschlicher, noch tierischer, noch pflanzlicher DNA (auch diese DNA kann relevant sein, etwa, wenn an einer Gartenschere gentechnisch veränderte Pflanzenreste gefunden werden).
DNA ist ein erstaunlich stabiles Molekül. Daher ist auch eine chemische Entfernung von DNA-Spuren schwierig, zumal nicht ausreicht, was zur Sterilisation taugen mag (etwa einfaches Erhitzen oder Alkohol). Ihr müsst die STRs zertrümmern, und die sind klein. Was erfahrungsgemäß ganz gut wirkt, ist Natriumhypochlorit, das aber nicht so leicht zu beschaffen ist. Eine Alternative sind Bleiche oder aggressive Putzmittel, in denen Natriumhypochlorit enthalten ist (siehe Inhaltsstoffe und Gebrauchsanweisung beachten). Handelsnamen sind etwa Dan Klorix oder Schimmelentferner mit Aktivchlor oder Clorox (amerikanisches Produkt). Hypochlorit ist nicht sehr stabil, daher empfiehlt es sich, immer eine neue Flasche zu benutzen. Es stinkt ziemlich, eben nach Chlor, und ist aggressiv gegenüber vielen Materialien, deswegen glatte und dafür unempfindliche Arbeitsflächen benutzen wie eine Badewanne, intakte Gummihandschuhe und eventuell auch eine einfache Schutzbrille tragen.
Vorsicht beim Umgang! Nicht mit anderen Reinigern zusammen nutzen. Und darauf achten, dass Ihr in alle Rillen und Ritzen damit vordringt. Es gibt im Laborfachhandel auch sonstige Produkte zum Zerstören von DNA wie DNA-Exitusplus oder DNA-ZAP (life technologies). Nach veröffentlichten Studien ist letzteres aber nicht effektiver als zehnprozentige Bleiche. Salzsäurebasierte Reiniger wirken dagegen schlechter. Erhitzen über einige Zeit bei 250 Grad Celsius etwa von Metallgegenständen im Backofen zerstört die DNA ebenfalls. Was nicht mehr gebraucht wird, ist am sichersten durch Verbrennen zu vernichten.